Neurowissenschaft

Bildgebende Verfahren in der Medizintechnik haben unser Verständnis wie das Gehirn funktioniert, revolutioniert. Früher dachte man, das Gehirn sei ein Organ, das sich bis zu einem gewissen Alter entwickelt. Bis dahin haben es individuelle Erfahrungen, Sozialisation, Wissen und Fähigkeiten strukturell und funktionell ausdifferenziert. Dann steht es über einen langen Zeitraum in seiner so gewonnen Form zur Verfügung bis eines Tages das Rad der Zeit auch in die Neuroleitungen erste Verschleißerscheinungen walzt. So dachte man …

Heute weiß man es besser. Das Gehirn ist ein lebendiges Gebilde. Ein Leben lang entstehen in ihm organisch wachsende Informationsstraßen, mittels derer eine Vielzahl von Erfahrungen verknüpft wird.

Ein Mensch der jeden Tag das gleiche tut oder in dem, was er tut auf vertraute Erfahrungen zurückgreift, bei dem verändert sich wenig im Gehirn. Ein Mensch, der jeden Tag neue Herausforderungen bewältigt, bei dem gleicht das Gehirn einer Großbaustelle - es wird ausgebaut und umgebaut.

Jede neue Lernerfahrung - gleich ob kognitiver oder motorischer Art - führt dazu, dass unser Gehirn seine Struktur verändert. Das geht soweit, dass selbst funktionale Totalausfälle kompensiert werden können - wie bei einem Schlaganfall. Sprechstörungen oder Bewegungseinschränkungen sind typische Folgeerscheinungen bei Schlaganfallpatienten. Heute wissen Therapeuten, dass die neuronale Plastizität es ermöglicht, andere Bereiche des Gehirns für die ausgefallenen Areale zu nutzen. Wer also Sprache trainiert gleichwohl sein Sprachzentrum ausgefallen ist, wird nach einer gewissen Zeit wieder erste Wörter und Sätze sprechen können. Das Gehirn rekrutiert einfach Neuronen aus anderen Bereichen, um Spracherfahrung zu prozessieren.

Im Kontext der Meditationsforschung konnten diese Erkenntnisse vielfach bestätigt werden. Meditation verändert das Gehirn ebenfalls. Es stärkt Bereiche, die uns zur Ruhe bringen und in Kontakt mit uns selbst. Es verkleinert Bereiche, die gewöhnlich für Angst und Panik zuständig sind.

Jedes Entspannungs- oder Achtsamkeitstraining ist also gleichzeitig ein Training zur gezielten Veränderung unserer neuronalen Gehirnstruktur. Das zu wissen, erklärt auch, warum es manchmal recht schwer ist, neue Gewohnheiten zu bilden.